In der Tumormedizin wird  intensiv nach Behandlungsansätzen gesucht, die gezielt einen speziell oder einzig im Tumor „überaktiven“ Stoffwechsel- oder Signalweg oder Eiweißstoff hemmen oder gar ausschalten. Dank des gezielten oder „maßgeschneiderten“ Abschaltens des Wachstumsprogramms in den Tumorzellen sollen und können Therapien entwickelt werden, die nur wenige Nebenwirkungen aufweisen und für den Patienten einfach und gut verträglich sind. Gut differenzierte Karzinoide nehmen hier eine Vorreiterrolle ein, da sie in weit größerer Zahl als normale Körperzellen sog. Somatostatinrezeptoren an der Tumorzelloberfläche tragen. Somatostatinrezeptoren (=Andockstellen für das Hormon Somatostatin) bilden seit nunmehr 25 Jahren die Grundlage für spezielle, zielgerichtete bzw. maßgeschneiderte Therapieansätze von neuroendokrinen Tumoren.

Somatostatin ist ein natürliches Hormon, das in physiologischer Menge im Körper eines jeden von uns vorkommt und verschiedene Aufgaben übernimmt. Dem einfachen und wirkungsvollen Einsatz von Somatostatinen in der Behandlung  neuroendokriner Tumoren gelang der Durchbruch, als es Anfang der 1990er Jahre gelang, langwirksame Depotpräparate von stabilen Somatostatin-Analoga herzustellen. Diese Depotpräparate müssen heutzutage nur einmal alle 4 Wochen entweder tief subkutan (in die Unterhaut) oder in die Gesäßmuskulatur injiziert werden. Wie weiter oben bereits ausgeführt stellen Somatostatinabkömmlinge (sog. Somatostatinanaloga wie Octreotid und Lanreotid) die Standardtherapie des  Karzinoidsyndroms dar.
Im Jahr 2009 konnte eine kontrollierte Phase III Studie (PROMID study) zeigen, dass das Octreotid-Depotpräparat (30 mg) das (progressionsfreie) Überleben von Patienten mit Dünndarmkarzinoiden signifikant verlängert. Interessanterweise war der das Überleben-verbessernde Effekt besonders ausgeprägt bei denjenigen Patienten, deren Tumorlast in der Leber gering war. Diese Beobachtung unterstützt die Empfehlung, Somatostatine zu kombinieren mit denjenigen o.g. Therapieverfahren, die die neuroendokrinen Lebermetastasen verringern, abtöten bzw. entfernen.  

Im Jahr 2013 konnte eine kontrollierte Phase III Studie (CLARINET study)  zeigen,  dass das Lanreotid-Depotpräparat (120 mg) das Überleben von Patienten mit  gut-differenzierten (G1/G2 und Ki-67 < 10%), neuroendokrinen Tumoren signifikant verlängerte. Diese Untersuchung ist die erste grosse, kontrollierte (Phase III) Studie, die jemals den lebensverlängernden Effekt eines  Somatostatinanalogs (Lanreotid) nicht nur bei Patienten mit neuroendokrinen Tumoren des Dünndarms, sondern auch  an einer grossen Patientengruppe mit (nicht-funktionellen) neuroendokrinen Tumoren  der Bauchspeicheldrüse und anderer Lokalisationen untersuchte.  Erfreulicherweise konnte nun in dieser grossen Phase III-Studie auch für Patienten  mit nicht-funktionellen, gut-differenzierten  (G1/G2 und Ki-67<10%), neuroendokrinen Tumoren ein Überlebensvorteil durch eine Somatostatintherapie nachgewiesen  werden. Es kann deshalb eine beschleunigte Zulassung der Depot-  Somatostatinanaloga für diese Patienten und für diese Indikation erwartet werden.

 

 

 
Prof. Dr. med. Hans ScherüblFachliche Beratung

Zentrum für neuroendokrine Tumoren
Prof. Dr.med. Hans Scherübl
Vivantes Klinikum Am Urban
Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité, Berlin

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